Komm heraus – Coming Out.
Wenn Du nach Transland reisen möchtest wirst Du mit Deiner Lebenskutsche irgendwann an eine Grenzstation kommen. Dort musst Du Dich ausweisen, in dem Du die schreckliche Frage beantworten musst. Die Frage lautet: „Wer oder was bin ich?“
Diese Frage muss jeder Reisende beantworten, auch wenn er ein anderes Land bereisen will. Einer der tiefsten Gründe, die uns alle Menschen bewegen, ist die Frage nach unserer geschlechtlichen Identität. Die meisten Menschen können diese Frage klar und stimmig beantworten. Sie sagen, ich bin Mann oder ich bin Frau. Wenn dann auch die Körperlichkeit mit dem „Ich bin“ übereinstimmt, dann dürfen wir davon ausgehen, dass diese Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit andere Länder bereisen werden. Dann gibt es auch, geneigter Leser, Menschen wie mich, oder vielleicht auch wie Dich, die auf diese Frage sagen möchte, ich bin Frau oder Mann, der Körper aber eine andere Antwort gibt. Frauen, die in ihrem Herzen ganz Mädchen sind, aber in einem Männerkörper leben, aber auch Männer, die jeden Morgen über ihren weiblichen Körper staunen. Diese Menschen werden bei dem „Ich bin..“ zu einem anderen Ergebnis kommen. Zu dem Eingeständnis: Ich bin … anders. Ich bin irgendwie trans*. Ist dies die Antwort, dann ist das das Visum Transland zu bereisen. Auch wenn Du zufällig über diesen Reisebericht gestolpert bist und die Texte eine Saite in Dir zum schwingen gebracht haben, bist Du Willkommen als Reisende im Transland.
Dieser erste Schritt, die bange Antwort auf die Frage „Ich bin…“, ist das erste Coming Out. Es findet in Dir selbst statt.
Dieses Coming Out ist vielleicht das wichtigste überhaupt. Bevor noch unsere Freunde, Partner und Kollegen etwas von uns wissen. Nun darfst Du Transland also bereisen. Aber achte auf Deine Schritte und Deinen Weg. Das innere Coming Out führt Dich in einen besonderen Prozess von Menschwerdung. Sei behutsam. Dieser innere Prozess, bei dem die Reisende zunehmend nach und nach klarer über sich selbst
wird, ist der einzige Prozess der verletzungsfrei bleibt.
Zuerst sind die meisten Menschen in Transland mit einer Tarnkappe unterwegs. Doch Menschen sehnen sich danach auch im Außen wahrgenommen zu werden. Irgendwann ermüdet das Versteckspiel. Die Tarnkappe beginnt zu drücken. Aber sei vorsichtig und bevor Du ins Außen strebst bedenke:
Die meisten Menschen haben sexuelle Probleme, die meisten Menschen haben Identitätsprobleme, und die meisten Menschen möchten nicht mit Themen konfrontiert werden, vor denen sie Angst haben.
So weißt Du vorher nicht, was Dein Coming Out bei anderen auslöst. Themen, die mit Dir gar nichts zu tun haben.
Wenn Du zum Beispiel bei Deinem Kollegen mit Deinem Sein Kastrationsängste auslöst, kannst Du Dich auf einen mittelschweren Mobbingritt gefasst machen – ohne das Du der eigentliche Grund bist. Du warst dann nur der Trigger. Gehe also bei dem Lüften der Tarnkappe behutsam vor. Mitunter mag es reichen, wenn nur Deine engsten Reisebegleiter von Dir wissen. Bei Deiner Reise durch Transland wirst Du lernen, was geht und was nicht.
Ich selbst lebe teilgeoutet. Nur meinen engsten Reisebegleitern in der Familie, meiner Frau, und den engsten Freunden gegenüber habe ich mich geöffnet. Nicht jedem fiel es leicht weiter mitzugehen. Aber einen überschaubaren Kreis in meinem Umfeld habe ich gebraucht, um nicht bereits zu Anfang zu implodieren. So aber kann ich meine Reise fortsetzen. Eine Reise, die vielleicht kein endgültiges Ziel hat.
Laura