Die Macht des Normalen deformiert unsere Gedanken

Die Macht des Normalen deformiert die Gedanken! Evolutionsbiologische Verhaltensforschung, was hat das mit meiner Reisegesellschaft von Trans*Menschen zu tun?

Ich habe eben einen total spannenden Vortrag über evolutionsbiologische Verhaltensforschung gehört. Demnach geht man wohl heute davon aus, dass es eine von der biologischen Körperlichkeit unabhängige Psychologie nicht gibt (meine Rede! :-)). sondern die Grundstrukturen unseres Seins in unserer Körperlichkeit fest verdrahtet sind. Ein Choleriker hat demnach keinen psychischen Defekt, sondern ist gesamtbiologisch so konzipiert. Ein Mensch, der wie ich in Moll gestimmt ist, ist einfach so. Das bekommt man nicht weg. Der Sinn der Psychologie bestünde demnach nicht im Heilen, im Sinne von wegmachen, sondern in einem damit – leben – lernen. Was bedeutet das für die Reise im Transland?

Folgt man diesen Überlegungen, dann ist die feste Gewissheit Mann oder Frau zu sein in der biologischen Einheit Mensch determiniert. Ein transidenter Mensch ist demnach, wie jeder andere auch, ein gesamtbiologisches Konzept mit jeweils gegengeschlechtlichen oder gemischten Geschlechtsmerkmalen. Hiermit meine ich alle Farben und Schattierungen im Transland. Egal ob binär oder nonbinär.

Die Einteilung in transidente Menschen wäre demnach nur eine Sichtweise von Außen, aus Richtung der normal empfindenden Menschen.

Aus evolutionsbiologischer Sicht ist der transsexuelle Mensch also nicht transsexuell, sondern objektiv einfach ein Mensch, der auf ein oder mehrere Geschlechter verdrahtet ist, dessen körperliche Erscheinung der des anderen Geschlechtes entspricht. Das ist im vielfältigen Spektrum der Natur einfach so abgebildet und soweit erstmal so gut wie jede andere Lebensform auch. Das spräche sehr dafür, dass bis zu diesem Punkt an der transidentität nichts krankes ist. Damit gäbe es keinen Grund körperlich einen Wechsel herbeizuführen.

Wohlgemerkt rein evolutionsbiologisch. Damit ist über denkbare Wege noch nichts gesagt. Aber habt ihr nicht auch schon die Erfahrung gemacht, dass der Wechseldruck nachlässt, wenn Frau allein ist? Und das der Druck steigt, wenn man in Gesellschaft vor allem des Wunschgeschlechtes ist? Woher kommt also der Druck und das Leid, woher der Zweifel und woher die Angst.? Könnte es sein, dass der Druck (auch) ein gesellschaftlicher ist? Ein Zwang zur Anpassung an die Normalität anderer? Deformiert die Macht des Normalen unsere Gedanken? Entsteht die Sehnsucht nach dem Normalen durch das Normale? Ich habe den Verdacht, dass es genauso ist.

Wenn das aber so ist, wenn das die Triebkraft ist, dann ist die Anpassung an das normale nicht der richtige Weg für mich. Ich frage mich, ob ich den Kategorien Mann/Frau wirklich entflohen bin, um im nächsten Schritt, über den Umweg durch das Transland, in die Kategorie Frau einzuscheren. Eine Kategorie, in der ich der ich bei den Normalen weniger glaubwürdig erscheine, als als weiblich konotierter Mann? Deformiert die Macht des Normalen, mein Gefühl zu mir selbst? Alles Fragen, derzeit quälend, unbeantwortet und unbeantwortbar. Fragen für den Fragenwald. Ich habe einen leisen Verdacht, wie eine Antwort lauten könnte.

Laura

Kommentare

3 Antworten zu „Die Macht des Normalen deformiert unsere Gedanken”.

  1. Avatar von Gisela

    Hallo Laura!
    Frage für den Fragenwald: Was ist ‚normal‘? Wer steckt die Grenzen? Wer setzt fest, wann sie überschritten sind?
    Die Kirchen sagen, jeder der nicht wie ein ‚normaler‘ Mann oder eine ‚normale‘ Frau lebt, sündigt. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Der Mensch darf nur Grenzen setzen, wenn Menschen durch das Verhalten anderer gefährdet wären. Nach außen hin muss alles normal erscheinen. Warum muss sich eine Transperson genötigt fühlen, einem solchen ‚Normalverhalten‘ zu folgen? Muss sich ein Mann, der sich als Frau fühlt, zwangsläufig operieren lassen, um dem zu entsprechen? Das ist ein schwerer Schritt, den ich nicht nachvollziehen kann. Ich bin der Meinung, jeder sollte körperlich so bleiben, wie er auf die Welt kam. Anderenfalls würde man versuchen, die innere Zerrissenheit durch äußere Maßnahmen zu überwinden. Wäre das überhaupt möglich? Ist es nicht so, wie bei Schönheits-OPs? Mit der Zeit wirken sie entstellend und gar nicht mehr schön. Aber es gibt keinen Schritt zurück. Den Fehler hat man dann immer vor Augen.

    Angenommen, Du lebst jetzt eine ‚normale‘ Mann/Frau Partnerschaft. Was würde daraus nach einer Geschlechtsangleichung werden? Eine lesbische Partnerschaft oder eine freundschaftliche? Würdest Du Dir als Frau einen Mann suchen wollen? Oder würdest Du als weibliches Neutrum weiterleben?

    Das Ritual ‚normal zu sein‘, drückt sich nur auf der physischen Ebene aus und hat eine Reaktion auf der mentalen Ebene. Es kann nur selten den Geist berühren.

    Ich halte Deine Ansicht für richtig, dass Grundstrukturen unseres Seins in unserer Körperlichkeit fest verdrahtet sind. Da lässt sich nichts wegoperieren. Ja, Trans-Identität ist nichts Krankes. Es gibt keinen Grund körperlich einen Wechsel herbeizuführen. Um ein lernender Mensch zu sein, spielt auch die männliche Äußerlichkeit Deines Seins eine Rolle. Das Leben hält harte Lektionen für uns bereit.

    In all meinen Überlegungen sehe ich stets den Menschen vor mir. Es gibt Gute, es gibt weniger Gute, es gibt Schlechte.

    Es geht darum den Materialismus zu vertreiben, der das Krebsgeschwür unserer Welt ist, den Egoismus, die Gier, die Habgier, die Gewalt, die Nebenprodukte dieses Materialismus sind, damit die Menschen, die Kinder des Großen Geistes, sich selbst finden und verwirklichen und eine Welt der gegenseitigen Zusammenarbeit aufbauen können, in der jeder danach strebt, dem anderen zu helfen und die wunderbare Fülle zu teilen, die euch physisch, mental und spirituell angeboten wird.

    Was für ein Glück für uns, dass wir gemeinsam dazu beitragen können, einen Teil der Prozesse zu erfüllen, die Gott in Gang gesetzt hat, um eure Welt zu einer schöneren und hilfreicheren zu machen, als sie es gegenwärtig ist.

    Was ist der Zweck des menschlichen Lebens auf der Erde?
    Der Zweck besteht darin, dem inkarnierenden Geist die Möglichkeit zu geben, eine Vielzahl von Erfahrungen zu machen, die ihn für die nächste Phase, die nach dem physischen Tod beginnt, fit machen. Die Erde ist das Schulhaus, in dem die Seele ihre Lektionen lernen und so für die nächste Stufe ihres ewigen Lebens richtig erzogen und ausgerüstet werden soll.

    Alles ist gut, wenn Du Dich geistig positiv berührt fühlst.

    Herzlichst, Gisela

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    1. Avatar von laurafrontaliere

      Liebe Gisela,
      ich teile weitgehend Deine Auffassung. Hinsichtlich der Notwendigkeit von angleichenden Operationen bin ich offener. Das hängt vom Leidensdruck der Betroffenen ab und viele kommen mit den Ergebnissen der OP sehr gut klar und sind dann erst wieder mit sich im Reinen. Das möchte ich niemandem absprechen, wenn es auch nicht mein Weg ist. Ich glaube, alle Wege sind gleichwertig an dieser Stelle und es kommt darauf an, womit man am Ende am Besten klar kommt.
      Es gibt auch viele Menschen, denen sagt ein spiritueller Weg nichts. Vielleicht ist auch deren Aufgabe in Deinem Sinn den Wandel auch körperlich zu vollziehen.
      Richtig ist, dass alle Wege in Beziehungen schwierige Folgen haben. Nicht alle Beziehungen halten dem Stand. Auch hier ist kein Raum für Vorwürfe.
      Das Leben ist eine komplexe Sache und wir sind alle Debütantinnnen und was mich angeht auch Dilletantinnen. 🙂
      Liebe Grüße
      Laura

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      1. Avatar von Gisela

        Ja, vielleicht müssen viele den körperlichen Wandel vollziehen, um ihren spirituellen Weg zu finden. Der Weg ist nie das Ziel, auch wenn man es noch nicht sieht. Ich wünsche Dir einen angenehmen Weg.

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